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Kettensägenmelodie
Neulich gedacht bei der Sichtung eines Travelogues: Eine mittlere Nahaufnahme von einem riesigen Baum, der fällt, kann einem den Magen umdrehen. Baumkrone gegen Himmel, umgeben von weiteren Baumkronen - dieses Bild kennen wir, die Gesetzmäßigkeiten dieser komfortablen Melancholie um deren Ewigkeit und unsere Vergänglichkeit kennen wir - dann verschiebt sich alles und gerät buchstäblich ins Wanken. Unerwartet kippt der riesige Baum, zwar in majestätischer Langsamkeit, aber doch tödlich getroffen und fällt zu Boden. Zum einen also eine reine Wahrnehmungssache - das Unumstößliche wird umgestoßen, verändert seinen Winkel zu Himmel und Erde und da staunt die Netzhaut bis in die Magengrube hinein. Zum anderen gehört der eben noch auratische Baum mit Ewigkeit, Weisheit und sonstigen mythischen Blindstellen aufgeladen, nun in die unschönen Niederungen allen unreinen irdischen Lebens. Er wird mit einer Zeit, einem Ort, einer Kettensäge, ungehobelten, nach Uhren eingetakteten Waldarbeitern konfrontiert, kurzum, seine Poesie wird mit dem uneleganten Einbruch einer aus allen Ecken eines schönen Rahmen berstenden Gegenwart beschmutzt. Insofern gefällt mir im Kino wahrscheinlich ein fallender Baum immer besser als ein im Wind wiegender. Anne Tetzlaff lebt als Filmproduzentin in Berlin. |