Ein Symposium in Kuldīga spricht von einer Geschichte ohne Ende:
Antisemitismus in Lettland und dem Unvermögen eines zivilisierten Umgangs damit

Vom 2. bis 9. September 2007 fand in Kuldīga, Lettland, das Symposium „Geschichte ohne Ende - Ein Versuch der Erinnerung an den Massenmord an Juden im Baltikum in Zeiten eines neuen Antisemitismus. Kuldīga als Beispiel” statt.
Eingeladen waren Historiker, Soziologen, Architekten, Künstler, Zeitzeugen, Überlebende. Unter anderem referierten Gita Umanovska vom Dachverband der jüdischen Einrichtungen in Lettland, Margis Vestermanis und Juris Dubrovskis.
Zusätzlich zu den Vorträgen wurden in den umliegenden Wäldern die Massenerschießungsplätze und Massengräber aufgesucht, das Ghetto in Rīga und das Jüdische und Shoah-Museum wurden besichtigt und bei einem Stadtrundgang mit einem Zeitzeugen wurde den Spuren der jüdischen Geschichte und der Shoa in Kuldīga nachgegangen. Die Symposiumsteilnehmer untersuchten auch die ehemaligen Synagoge und die ehemaligen Wochentagssynagoge auf der Suche nach einer Mikwe.
Das Symposium leistete Pionierarbeit, eine Auseinandersetzung fand in Kuldīga bis dahin noch nicht statt. Auch auf lettischer Ebene zeigt es sich als kaum Gedachtes.
Es gab antisemitische Anfeindungen aus der Stadtverwaltung, unbehagliche äußerungen von Einheimischen gegenüber Fremden und im nachhinein Verleumdungen des Bürgermeisters.

Die z.Z. leer stehende ehemaligen Synagoge, die zu Sowjetzeiten zu einem Kino umgebaut wurde, soll nach Plänen der Stadtverwaltung umgebaut und als Stadtbibliothek genutzt werden.
Der Bürgermeister der Stadt, Edgars Zalans, warf den Symposiumsveranstaltern gegenüber der amerikanischen Botschaft, doch nicht im direkten Gespräch vor, den Fortschritt der Stadt zu bremsen.
Sein Bedauern, das keine Vorschläge zur Gestaltung der „Erinnerungsecke” kamen, ignoriert, dass dies ausgiebig mit Beispielen vorgestellt wurde und häufig diskutiert wurde. So wurde die Aktion „Stolpersteine” besprochen, die sich in vielen Orten schon etabliert hat, bei der im Gehweg vor den letzten Wohnsitzen von Deportierten Opfern des Nationalsozialismus kleine Gedenksteine in Pflastersteingröße eingesetzt werden.

Schon vor dem Symposium gab es Bestürzungen seitens der jüdischen Gemeinden, als der Býrgermeister verlauten ließ, dass die jüdischen Gemeinden kein Anspruch auf die Synagoge haben.
Es gab daraufhin eine Unterredung beider Seiten mit einem plötzlichen und auffallend einvernehmlichen Ausgang.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung, die das Symposium unterstützte, sprach ein klares Verbot aus, lettische Schuld an der Vernichtung der Juden anzusprechen.

Besucher kamen aus Israel, Großbritannien, den Vereinigten Staaten, Namibia, Spanien, Deutschland und Lettland, nur kaum aus der Stadt, Kuldīga.

Das Symposium bekam auch im Nachhinein viele Bekundigungen von offenem und verstecktem Antisemitismus in der Stadt sowie von einer auffallenden, mehrmals aggressiv genannten Passivität von Vertretern öffentlicher Einrichtungen der Stadt gegenüber an der jüdischen Geschichte Kuldīgas interessierten Besuchern.


Renzo Proscho

Weitere Informationen unter www.buero-schwimmer.de/kuldiga

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